In einem hart umkämpften Energiemarkt ist es längst nicht mehr nur entscheidend, neue Kunden zu gewinnen – sondern verlorene Kunden wieder zurückzuholen.

Besonders für Stadtwerke und Energieversorger ist Kundenrückgewinnung ein zentraler Hebel, um Marktanteile zu sichern, Abwanderungen zu kompensieren und den Bestand langfristig zu stabilisieren. Denn jeder gewonnene Rückkehrer spart nicht nur Akquisekosten – er oder sie bringt bereits bekannte Daten, ein Grundvertrauen und oft eine höhere Abschlussbereitschaft mit.

Kunden, die einmal weg sind, sind nicht für immer verloren. Aber sie kommen auch nicht von allein zurück.

Warum kündigen Kunden eigentlich?

Wenn man von Kundenrückgewinnung spricht, heißt es automatisch, dass ein Kunde gekündigt hat oder kurz vor der Kündigung steht. Um handeln zu können, ist es hilfreich zu vertsehen, warum ein Kunde kündigt. Denn nur so kann man dann auch adäquat auf den Kunden eingehen. Die Gründe der Kündiger sind dabei  vielfältig – aber unserer Erfahrung nach meist sehr konkret:

  • Preissensibilität: Neue Anbieter locken mit Boni oder günstigeren Tarifen.
  • Unzufriedenheit mit Service oder Kommunikation
  • Fehlende emotionale Bindung zum Anbieter
  • Unklare Rechnungen, Intransparenz
  • Wechselimpulse durch Werbung, Empfehlung oder Vergleichsportale

Viele Kündigungen entstehen nicht aus Ärger – sondern aus Gleichgültigkeit. Und genau da liegt die Chance für die Versorger!

Prevention, Retention, Winback – was steckt dahinter?

Bevor wir uns diese Chancen genauer anschauen, ist es wichtig zu verstehen, dass Kundenrückgewinnung viele Facetten hat. Dabei unterscheidet man in drei Phasen:

  1. Prevention: Kündigungen verhindern, bevor sie entstehen
    Bei Prevention geht es nicht um Schadensbegrenzung – sondern um vorausschauendes Handeln. Die Idee: Kunden aktiv sichern, bevor sie überhaupt über einen Wechsel nachdenken.
    In der Praxis bedeutet das: Kunden frühzeitig vor Vertragsende kontaktieren, aktiv verlängern. Ob über ein besseres Preisangebot, einen kleinen Bonus oder einfach ein verbindliches Gespräch – hier zählt Aufmerksamkeit mehr als Strategie.

  1. Retention: Den Wechsel stoppen, solange es noch geht
    Der Kunde hat bereits gekündigt – aber der Vertrag ist noch aktiv. Jetzt zählt jede Stunde. Der Retention-Call ist oft die letzte Gelegenheit, um innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist eine Rückkehr einzuleiten.
    Das funktioniert nur, wenn der Kontakt schnell, gezielt und überzeugend ist. Der Schlüssel: Information, Sicherheit und das richtige Timing. Was war der Kündigungsgrund? Gibt es Unklarheiten? Kann ein neues Angebot oder persönliches Gespräch noch etwas drehen?

  1. Winback: Verlorene Kunden zurückholen – mit Fingerspitzengefühl
    Der schwierigste Teil der Rückgewinnung: Der Kunde ist schon lange weg, meist bereits über Jahre. Jetzt braucht es doppelte Überzeugungskraft – denn er hat seit Monaten (oder Jahren) nichts vom Versorger gehört.
    Bevor überhaupt ein Gespräch stattfinden darf, braucht es ein Opt-In für die Kontaktaufnahme. Erst dann beginnt die eigentliche Arbeit: Vertrauen aufbauen, Mehrwert kommunizieren, Abschlusshürden abbauen. Jetzt wirkt nur noch Relevanz – keine Standardlösung.

Die größten Herausforderungen der Kundenrückgewinnung

  1. Prevention
    Die größte Herausforderung in der Prävention ist das frühzeitige Erkennen von Unzufriedenheit. Viele EVUs haben zwar Kundendaten – aber keine klaren Warnsignale oder definierte Prozesse, um gefährdete Kunden gezielt anzusprechen.

Hinzu kommt: Präventive Kommunikation ist oft reaktiv statt vorausschauend – es fehlt die Zeit, die Kapazität oder schlicht die richtige Systematik.

Was hilft:

  • Frühindikatoren definieren (z. B. Beschwerden, Zahlungsprobleme, lange Inaktivität)
  • Regelmäßige Kundenbefragungen
  • Mitarbeiterschulungen im Kundenkontakt zur aktiven Früherkennung
  1. Retention
    In der Retention ist der Druck hoch – denn das Zeitfenster ist begrenzt. Wenn Kunden bereits gekündigt haben, braucht es schnelle Reaktion, Flexibilität und überzeugende Angebote.

Oft scheitert Retention daran, dass die Kündigung zu spät erkannt wird, keine individualisierten Gegenangebote vorbereitet sind oder die Kommunikation zu starr oder unpersönlich verläuft.

Was hilft:

  • Kündigerprozesse automatisieren und mit CRM-Triggern arbeiten
  • Dem Vertrieb schnelle Entscheidungsfreiräume geben (Preisnachlässe, Kulanz)
  • Persönliche Ansprache statt Standardbriefe
  1. Winback
    Im Winback-Bereich ist die größte Herausforderung oft die Relevanz des Wiedereinstiegsangebots. Viele Rückgewinnungsmaßnahmen verpuffen, weil sie zu spät kommen, zu generisch sind oder die ursprünglichen Kündigungsgründe ignorieren.

Zudem fehlt in vielen Vertriebsteams eine klare Ownership: Wer ist überhaupt für Rückgewinnung zuständig?

Was hilft:

  • Segmentierte Winback-Kampagnen mit personalisiertem Content
  • Exklusivangebote für Ex-Kunden mit klarer zeitlicher Begrenzung
  • Kundenfeedback aktiv einholen und individuell aufgreifen

Warum sich Kundenrückgewinnung lohnt

Ja, Kundenrückgewinnung ist aufwendig, ja Kundenrückgewinnung braucht Ressourcen, ja, Kundenrückgewinnung braucht ein System. Aber der Aufwand lohnt sich.

Denn:

  • Die Akquisekosten für Neukunden liegen deutlich höher – die Akquise eines Neukunden ist siebenmal anstrengedner als einen Kundenzurückzuholen.
  • Ehemalige Kunden kennen den Anbieter bereits – das senkt die Überzeugungshürde.
  • Eine erfolgreiche Rückgewinnung hat oft eine stärkere emotionale Bindung zur Folge als der Erstabschluss.

Vor allem aber sendet Rückgewinnung ein starkes Signal: Wir kümmern uns. Wir sehen dich. Wir wollen dich zurück. Und das ist unbezahlbar.

3 schnelle Tipps für die Kundenrückgewinnung

  1. Timing ist alles: Rückgewinnung funktioniert am besten innerhalb der ersten 3–6 Monate nach Kündigung. Danach sinkt die Abschlusswahrscheinlichkeit spürbar.
  2. Anruf schlägt E-Mail: Persönliche Gespräche erzielen messbar höhere Rückgewinnungsraten als digitale Standardkommunikation.
  3. Sprich über Mehrwert, nicht über Rabatte: Nicht der Preis entscheidet – sondern das Gefühl, wieder gut aufgehoben zu sein.

Kundenrückgewinnung ist kein Akt der Verzweiflung – sondern eine strategische Disziplin mit viel Potenzial. Wer Prevention, Retention und Winback zusammendenkt, gewinnt nicht nur Kund*innen zurück – sondern auch Vertrauen, Bindung und Marktanteile.

Und genau das ist es, was Stadtwerke und Energieversorger in Zeiten wie diesen dringend brauchen.